Trouble in paradise: Rudolf liest in der Zeitung von Deutschlands sündigsten Kurort – Oberstaufen. Ausgerechnet dort war Inge, kurz nachdem sie Rudolf kennengelernt hatte…
6.3.1992
Meine liebe Inge,
heute morgen habe ich den zweiten Brief zur Post gebracht. Hoffentlich liest Du die Karten der Reihe nach. Selbst auf die Gefahr hin, daß Du tatsächlich meinst, ich sei bekloppt, beginne ich hiermit den dritten Brief. Es ist gleich 20.00 Uhr. Eben habe ich „Herzblatt“ gesehen und die Nachrichten um 19.00 Uhr auch, so daß ich jetzt bis zum freitäglichen Krimi um 20.15 Uhr ein wenig Zeit habe, um mich durch Schreiben mit Dir, mein Mädchen, zu befassen. Das finde ich interessanter als eine Fernsehsendung, auf die man wegen der schlechten Qualität fast verzichten kann.
Wenn Du meine beiden ersten Briefe, die beide Übergewicht hatten, wegen Zeitmangel oder auch mangelndem Interesses nicht lesen magst, dann lasse sie bitte so lange liegen, bis auch Du Dich wegen schlechter Fernsehsendungen langweilst und als Ausgleich dann zu den Briefen greifst.
Den ganzen Tag denke ich an Dich und frage, was Du wohl gerade tun wirst, ob Du froh und glücklich bist und ob Du mich wegen dem weiten Schönen, das auf Dich eindringt, nimmer ganz so sehr vermissest. Gut, dies gestehe ich Dir sogar zu, aber nur unter der Bedingung, daß Du spätestens nachdem Du nach Leimen zurückgekehrt sein wirst, mich wieder zu 100% liebst, wir Du dies vor Deiner Reise in das ferne Land getan hast. Daß Du Dir einen jungen Thai-Mann suchst, das glaube ich zwar nicht, weil Du Dich, wenn er kein Deutsch sprechen würde, mit mir doch besser unterhalten kannst. Doch es gibt nichts, was es nicht gibt… Wenn Du mich also verlassen würdest wegen eines Thai-Mannes, dann würde ich schon ein wenig traurig sein, weil ich dann keinen Grund mehr hätte, weiterhin in die Stadt Leimen an der südlichen Bergstraße zu fahren, um ihre Schönheiten zu bewundern…
Samstag, den 7.3.1992
Mein liebes Ingelein,
es gibt Tage, die keine „Alltage“ sind, Inge, die sich durch freudige Ereignisse herausheben und den üblichen geschehnisarmen Tagen. Ein solcher Tag ist heute, wo ich nicht nur am Telefon mit Dir sprechen durfte, sondern auch einen Brief und eine Karte von Dir erhielt. „Wenn einem so viel Gutes widerfährt, das ist schon eine Flasche Sekt auf Deinem Tisch vor Deiner Couch wert“. Das muß gefeiert werden. Herzlichen Dank und viele gute Küßchen und „Liebdrückerchen“. Daß Du in der Fremde so sehr an mich denkst, ist für mich ein weiterer Beweis für deine Liebe zu mir.
Doch auch ein Wermutstropfen fällt in den Becher der Freude an diesem Tag, Deine kurze Mitteilung (…), Du seiest drei Tage im Krankenhaus gelegen. Wenn ich nur wüßte, warum Du ins Krankenhaus gekommen bist. Diese Unwissenheit belastet mich sehr. Hat es vielleicht etwas mit der dortigen Hitze und Deinem Kreislauf zu tun? War’s schlimm? Ein Trost für mich, daß Du mir sagtest, es gehe Dir wieder gut. Dir weiterhin Gesundheit und viel frohes Erleben, Freude und Vergnügen wünschend, verbleibe ich, der immer an Dich denk, weil er Dich liebt, Dein
Rudolf
Sonntag, 8.3.1992
Meine liebe Inge,
heute abend wurde in den Nachrichten von einem Schiffsunglück in Thailand berichtet, bei der es viele Tote gegeben hat, da bangte ich natürlich um Dich, aber dann beruhigte ich mich, indem ich (…), daß Ihr keine Schiffsreise eingeplant habt.
Beim sog. Fastenessen im Jugendheim gab es Saumagen und Würstchen mit Sauerkraut und Brot. Zwei Viertel und ein Achtel Wein habe ich zum und nach dem Essen getrunken. Mein Mittagsschläfchen dauerte dann bis 16.30 Uhr.
Vorhin rief Frau Henrick aus Liedolsheim an und teilte mir mit, ihr Vater, der sich mit ihrer Mutter seit mehreren Tagen wieder zu (…) bei ihr aufhalte, feiere am Mittwoch, den 11.3.92 in Liedolsheim seinen 79. Geburtstag, dazu lud mich Frau Henrick ein. Wenn Du da wärst, wäre dies eine einfache Sache, dort hinzukommen. Ich werde nun mit dem Zug über Mannheim nach Graben-Neudorf fahren; von dort wird mich Herr Fuchs abholen.
Rodenbach, den 11.3.92
Meine liebe gute Inge,
meine Putzfrau rief mich heute morgen an und teilte mir mit, Du hättest gestern angerufen. Es tut mir sehr leid, daß Du mich nicht erwischt hast. Vor einer halben Stunde riefst Du mich nun an. Damit hatte ich gerechnet. Deswegen ließ ich beim Waschen und Rasieren alle Türen offenstehen, um das Klingeln des Telefons nicht zu überhören. Ich danke Dir vielmals für Deine, sicherlich sehr teuren Gespräche. Dafür werde ich besonders lieb zu Dir sein.
Aber nun zu dem gestrigen Tag: Ich habe Dir ja schon berichtet, daß mich Frau Henrick – das ist die Tochter der Eheleute Fuchs, die in Liedolsheim wohnt – angerufen und mich zum 79. Geburtstag ihres Vaters nach Liedolsheim eingeladen hat. Obwohl ich am liebsten daheimgeblieben wäre, nahm ich im Hinblick auf die gute Nachbarschaft mit den Eheleuten Fuchs die Einladung an und fuhr also mit dem Zug ab 8.30 Uhr von Kaiserslautern nach Graben-Neudorf, von wo mich Herr Fuchs mit dem PKW nach Liedolsheim brachte. Zuvor hatte ich in Mannheim meine Reise unterbochen, um bei dem schönen Wetter in der Stadt ein wenig umherzugehen. Um 11.30 Uhr kam ich in Liedolsheim an. Da ich zum Mittagessen eingeladen war und Frau Henrick wünschte, ich sollte um 12.00 Uhr da sein, nahm ich als gutgläubiger (…) Mensch an, es gäbe um 12.00 Uhr Mittagessen. Um es kurz zu machen: Das Essen kam um 14.20 Uhr auf den Tisch, gerade als ich kurz vor dem Verhungern war, denn ich hatte schon morgens um 05.00 Uhr gefrühstückt. Das Essen selbst, geschnitzeltes, trockenes, geschmacksarmes Fleisch mit Reis und Feldsalat (den ich gar nicht gern esse) war mehr als dürftig. Die Zeit bis zum Mittagessen verbrachte ich mit Weintrinken, was ich zwar an sich als angenehm empfand, was aber meinen Hunger noch steigerte. Das einzig Positive: Ich saß genau auf dem Platz, den ich eingenommen hatte, als Du neben mir im Zimmer der Henricks saßest. Deshalb dachte ich immer nur an Dich, natürlich mit Freuden und großer Liebe. Aber alles in allem war es ein schlechter Tag, der mich dazu noch Geld kostete, denn für die Fahrt nach Liedolsheim habe ich 26,- DM bezahlt. Dazu kommt noch das Geburtstagsgeschenk, das ich noch nicht gekauft habe. (Ich wollte mich damit auf der Bahnfahrt nicht belasten.)
Mein liebes Mädchen, z.Z. bringt die Bild-Zeitung eine Fortsetzungs-Serie über „Deutschlands sündigsten Kurort – Oberstaufen“. Da muß es ja, wie es in dieser Zeitung steht, toll zugehen, und zwar in in punkto Sex. Wußtest Du dies, als Du Dich für Oberstaufen entschiedest? Hast Du auch Sexabenteuer gesucht? Vielleicht auch gefunden? Macht man dort mit dem ver(…) Wein die Frauen zugänglicher? Gefügig? Warum hast Du mich eigentlich nicht gefragt, ob ich mit Dir nach Oberstaufen fahren möchte? Wenn man mich als Liebhaber hat – dann bräuchte man ja eigentlich nicht in den „sündigsten Kurort Deutschlands“ zu reisen.
Meine liebe Inge,
nur wenn Du Dich in Oberstaufen nicht wie in der Bildzeitung beschrieben benommen hast – wenn Du mir also trotz gefügigmachendem Weingenuß und den auf Beute ausschwärmenden lüsternen Männern treu geblieben bist (damals hast Du mich ja noch nicht so gut gekannt), dann entschuldige bitte das oben Geschriebene und fühle Dich bitte nicht beleidigt. In diesem Zusammenhang möchte ich Dir nur noch sagen: „Inge, ich liebe Dich!“
13.3.1992
Mein liebes Ingelein,
ein guter Tag für mich heute. Gleich drei Ansichtskarten aus dem fernen Thailand sorgten dafür, daß ich meine schlechte Stimmung wegen des hier herrschenden kalten Regenwetters in gute Laune verwandelte. Und auf allen drei Karten standen am Schluß des Textes Worte wie: „Es grüßt und küßt Dich herzlich“ oder: „Sende Dir viele liebe Grüße und innige Küsse“. Ja, sagte ich mir, wer so oft von so weit her so viel telefoniert und so oft schreibt, und jedesmal solche lieben Worte für einen findet – da muß Liebe dahinterstecken. Eine solche Frau, so darf man schlüssig annehmen, kommt aus Oberstaufen unbeschadet wieder zurück, selbst wenn man in Betracht zieht, daß sie ihren Freund erst vor kurzem kennengelernt hat. Vielen Dank für die drei Karten.
Sag, mein liebes Mädchen, ist Oberstaufen wirklich so ein Sündenpfuhl, wie es die „Bildzeitung“ darstellt? Warst Du über den schlechten Ruf dieses Kurortes informiert, als Du Dich entschlossest, dorthin zu fahren? Warum bin ich denn nicht mitgefahren? Hast Du mich gefragt, ob ich mit Dir fahren wolle? Ich nehme an, Du hast Dich nicht bemüht, mich zu veranlassen, mit Dir dort zu kuren. Oder hast Du mich damals noch nicht in dem Maße, wie dies heute der Fall zu sein scheint, geliebt und konntest deswegen das Getrenntsein von mir leichter verkraften. In Bezug auf Thailand hast Du mir doch sehr beschwörend versichert, daß Du niemals mehr ohne mich in Urlaub fahren würdest.
Liebes, nehme bitte meine Gedanken über Oberstaufen nicht so ernst. Ich bin mir ziemlich sicher, daß Du Dich dort korrekt verhalten hast. Und wenn es Unkorrektheiten gegeben hätte, so würdest Du es mir nicht „auf die Nase hängen“. Aber warum schreibe ich dann so ausführlich darüber? Weil das Thema an sich ein prickelndes Thema ist. Und weil es mir, ganz gelinde gesagt, auch gar nicht recht wäre, hättest Du Dich mit einem anderen Mann eingelassen.
Du wirst nun, wie ich Dich kenne, mit einer gewissen Genugtuung zu Dir selbst sagen: „Siehe da, mein Rudolf! Der ist so eifersüchtig!“ Bin ich eifersüchtig auf Dich? Nein, woher denn. Ich, ich bin doch nicht eifersüchtig auf Dich, –
Doch jetzt muß ich Schluß machen. Es ist schon 23.00 Uhr. Gleich beginnt „Tutti Frutti“. Aber bitte, werde nun Du nicht eifersüchtig, ich gehe sofort ins Bett.
Gute Nach, mein Mädchen! Schlafe gut und träume von mir. Laß Dich vorher aber noch küssen und kosen.
Samstag, 14.3.1992
Meine liebe Inge,
mit Deinem Anruf heute morgen und den beiden Karten von dir vom 8. u. 9. März hast Du den trüben Tag in Rodenbach weit aufgehellt und Freude über so viel Liebe in mein Herz gesendet. Ich danke und verspreche Dir, alles zu tun, um Dir diese große Liebe zu vergelten. Ich liebe Dich!
Die sehr schönen Karten, die du mir schreibst, mit herrlichen Landschaftsbildern dieser herzlichen Gegend, verankert in mir die Lust, dort mit Dir Freude und Erholung zu suchen. Es wäre herrlich, mit Dir unter Palmen zu liegen, auf weißem Sand die warme Sonne zu genießen und hin und wieder an einen Kuß (oder mehrere) zu denken, den ich, dies weiß ich, sofort und ohne Zögern bekäme, wenn ich ihn von Dir erbitten würde. Und abends dann in unserem Zimmer im Hotel, hätten wir, aufgeheizt von der heißen Sonne am Nachmittag, ohne Frage Lust auf das, was unter der Bezeichnung „Steppern“ zu unser beider Wortschatz gehört.
Liebes, jetzt habe ich schon wieder einen Brief mit Übergewicht geschrieben, an dem Du so viel zu lesen hast. Hoffentlich liest Du die Briefe der Reihe nach und nicht in einem Zug hintereinander, denn ich will Dir ja mit dem vielen Geschreibe keine Arbeit aufhalsen.
Es ist jetzt 15.30 Uhr. Gleich werde ich das Radio einschalten, um die Fußball-Bundesligaspiele zu hören. Danach ist es Zeit, zur Kirche zu gehen. Zum Glück kommt heute abend der Rudi Carell, so daß der Tag dann am Ende nicht allzu eintönig verlaufen ist.
In der Vorfreude auf unser baldiges Wiedersehen und mit dem Geständnis meiner Liebe zu Dir möchte ich diesen Brief nun abschließen.
Viele liebe Grüße und Küsse
Dein Rudolf