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Leben

Meine liebe Inge (9)

Rudolf ist erleichtert, dass Inge ihm endlich ein Lebenszeichen aus Thailand schickt. Sie hat ihn nicht vergessen!


Rodenbach, den 27.2.1992

Meine liebe Inge,

endlich habe ich ein Lebenszeichen von Dir, deinen Brief vom 21.2.92, erhalten. Dafür, daß Du so bald nach Deiner Ankunft in Thailand geschrieben hast, und natürlich auch für den Brief selbst – dafür danke ich Dir recht herzlich. Leider ist es mir nicht möglich, Dir auch zu schreiben, weil ich mit Deiner Adressangabe nichts anfangen kann, und weil Du ja, wie du schreibst, für Tage da und dort hinfährst bzw. fliegst. Wie gern hätte ich Dir geschrieben und Dir dabei einige liebe Worte gesagt (damit Du mich nicht vergißt), dies hätte das bittere Gefühl der Einsamkeit, das mich nach Deiner Abreise überkommen hat, sicherlich merklich gemindert. So muß ich leider auch diesen Brief nach Leimen adressieren, und wenn Du ihn dann erst nach Beendigung Deiner Reise liest, hat er seine Bedeutung weitgehend eingebüßt.

Im Atlas habe ich natürlich Thailand und Bangkok gefunden, aber auch Tschiengmai im Norden von Thailand, das Du in Deinem Brief erwähnst. Nur schreibst Du Chingmai, weil Du das. Wort wahrscheinlich nur vom Hörensagen kennst und es nicht, wie ich, aus dem Atlas herausgelesen habe. Korath und Pattaya habe ich nicht ausmachen können.

Daß Du in Thailand nicht krank wirst und Dir auf Deinen Fahrten und Flügen nichts zustoßen möge, und Du viel siehst und hörst in diesem fremden Land, das wünsch‘ ich Dir von Herzen. Merke Dir bitte auch alles Erlebte gut, denn ich bin schon jetzt sehr gespannt, was Du mir an einem Abend bei Dir auf der Couch bei einem herben Glas Leimener berichten wirst.


29.2.1992

Meine liebe Inge,

es ist Samstagmorgen. Gegen 08.20 Uhr, lesend auf meiner Couch liegend, rappelt das Telefon. Keine Ahnung davon, wer mich um diese Zeit anrufen könnte.

Dann Deine Stimme. Welche Überraschung!

So weit weg ist mein Liebes, und sie denkt an mich und ruft (für viel Geld) an. Welch eine Freude! Ganz erregt bin ich, will Dir so viel sagen. Aber dann legst Du schon wieder auf. Habe ich Dir wenigstens gesagt, daß ich Dich liebe? Nun ist meine Sehnsucht nach Dir noch größer. Ich zähle die Tage bis zu Deiner Rückkehr, daß mich die Trennung von Dir so sehr schmerzen würde, hätte ich nie gedacht. Es ist bitter für mich. Habe ich mich schon so sehr an Dich gewöhnt? Vielen Dank für diesen Anruf. Ich bin jetzt, eine halbe Stunde danach, noch ganz erregt. Ach, wie lange dauert es noch, bis Du wieder bei mir bist.

Das es dir gutgeht, freut mich sehr, und ich gönne Dich auch von ganzem Herzen das große Erleben dieser für uns Europäer interessanten fremden Welt, in der zu z.Z. leben darfst. Aber ich würde Dir auf keinen Fall gestatten, über den 22. März hinaus in dieser schönen Ferne zu verweilen, denn mein Heimweh nach Dir ist riesengroß. Ich denke, dies ist ein Zeichen von Liebe zu Dir.


Sonntag, den 1. März 1992

Meine liebe Inge,

gestern morgen, eine Stunde nach Deinem Anruf, ging ich in den nahen Wald spazieren, um damit etwas für meine Gesundheit zu tun. Noch immer an das Telefongespräch mit Dir und ganz allgemein an unsere Beziehung denkend, fiel mir, obwohl ich es nicht wollte, immer wieder das gar nicht nette Wort„Nörgler“ ein. Ich stellte fest, daß es der erste ungute Ausdruck sei, der wischen uns beiden verwendet worden ist. Ich mache Dir durchaus keine Vorwürfe darüber, denn genau so gut hätte ich ein ähnlichen kritisierender Ausdruck gebrauchen können. Nur: was ist der Grund dafür, daß mir das Wort immer wieder einfiel und ich es immer wieder bedauerte, daß es gefallen ist? Es kann nur so sein, daß ich Angst habe, beim gegenseitigen Verwenden solches unpassenden (Eben riefst Du mich an!) Begriffe falle ein Schatten aus unser doch so reines, noch von keinem Makel getrübtes Verhältnis.

Ja, mitten hinein in meine Gedanken drängtest Du eben mit Deinem Telefonanruf, als ob Du es geahnt hättest, daß ich mich mit Dir beschäftige. Als ob Du sagen wolltest: „Mein lieber Rudolf, ich verstehe Dich nicht in Deiner Sorge; so habe ich es doch gar nicht gemeint, ich weiß doch, daß Du kein übler, lästiger Nörgler bist, dem alles und jedes nicht paßt.“ Vielleicht, mein liebes Mädchen, wolltest Du ja auch gar nicht „Nörgler“ sagen, sondern nur „Kritiker“. Und damit hättest Du sogar recht.

Mein Liebes, vielen, vielen Dank für das Telefongespräch heute am Sonntagmorgen. Es wird wohl nicht so leicht sein, von dort anzurufen und zur passenden Zeit anzurufen. Ich betrachte es als einen neuen Beweis Deiner Liebe zu mir, daß Du die Unannehmlichkeiten des Telefonierens und Schreibens (und des Geld-Ausgebens, das damit verbunden ist) auf Dich nimmst. Mein Tag heute wird ein anderer, ein heiterer sein, nachdem ich Deine Stimme gehört habe und einige Worte mit Dir wechseln durfte. Welch ein beglückendes Gefühl ist es, wenn man weiß, da ist jemand, der zu Dir hält, dem Du über Länder und Meere hinweg Vertrauen schenken darfst, der Dich liebt. Meine Inge, ich liebe Dich!

17.30 Uhr immer noch Sonntag,
1. März

Von einem langen Sonntagnachmittagsspaziergang zurückgekehrt, möchte ich Dir sagen, daß wir herrliche, frühlingshafte Tage mit Sonnenschein und Wärme bis 17 Grad gehabt haben. Schade, daß Du nicht hier sein kannst, wir wären sonst beisammengewesen und hätten irgend eine schöne Fahrt und erholsame Spaziergänge unternommen. Auch der heutige Sonntag mit über 17 Grad und Sonne war so recht zum Spazierengehen geeignet.

In den Vorgärten blühen schon die Schneeglöckchen und Krokusse. Beim Betrachten der letzteren, besonders der roten, rosenroten, blaßroten und lila Blüten dachte ich komischerweise an Deinen Mund. Bei der Erforschung der Ursache dafür kam ich der Sache gleich auf den Grund. Man braucht das zweisilbige Wort nur auseinanderzuschreiben: Kro-Kusse – und schon ist klar, warum ich an Deinen Mund dachte. Und der ist ja noch schöner und lieblicher als die roten, rosaroten, blaßroten und lila Krokusse. Weill man aber der Sache ganz gerecht werden, so ist es angebracht, daß nun „Krokusse“, falls man sie mit Deinem Mund in Zusammenhang bringt, mit dem Anfangsbuchstaben G schreibt, nämlich Gro-Kusse, d.h. Große Küsse, also Spitzenküsse mit Z.K., Fabrikat Birnstiel.


Rodenbach, 2.3.1992

Meine liebe Inge,

manchmal meine ich, ich müsse doch einen Spleen haben, wenn ich mir bewußt bin, daß ich Briefe an Deine Adresse in Leimen sende, wo Du doch im fernen Thailand weilst. Aber dann sprach ich mich vom Verrücktsein frei, wenn ich mir sage, daß ich Briefe ja nur deswegen schreibe, um mich mit Inge zu beschäftigen. Das ist auf die Einsamkeit zurückzuführen, in der ich mich befinde. Gott sei Dank schreiben wir schon März, und im März kommst Du ja schon zurück.

Da ergibt sich auch die Frage, wie es dieses Jahr mit Urlaub bestellt ist. Von meinem Schwiegersohn wollte ich wissen, wann mit der Sanierung meines Hauses zu rechnen ist. Er sagte, die Firma, die er mit den Arbeiten betrauen wollte, habe ihm abgesagt, und er selbst finde im Augenblick keine Zeit, um sich mit der Sache zu befassen. Was meinen Urlaub betreffe, so könne ich ja verreisen, ich müßte ja nicht unbedingt zu Hause sein, wenn die Handwerker kommen. Ich möchte jedoch da sein. Auf jeden Fall fahren wir beide irgendwo hin in Urlaub. Das „wann u. wo“ werden wir miteinander beraten.

Meine Gedanken sind bei Dir in Thailand. Dort sollst Du viel erleben und viel Freude haben. Jedoch eine Verlängerung Deiner Urlaubs bekommst Du von mir nicht. Ich bin so egoistisch. –

Bleibe gesund, meine liebe Inge, und komme wohlerhalten und gut erholt zu mir zurück. Ich grüße Dich und küsse Dich, und drücke Dich ganz fest an meine Brust

Dein Rudolf


Fastnacht.Dienstag, 3.3.92

Meine liebe Inge,

20.30 Uhr ist es. In dreieinhalb Stunden ist die närrische Zeit vorbei. Am Fernsehen wurde man ja mit in das lustige Treiben einbezogen. Das meiste, was da geboten wurde, ließ mich kalt – schon immer. Ältere Herren mit Narrenkappe, mit Helau-Rufen und jungen Mädchen Küßchen geben, finde ich albern. Als sehens- und hörenswert habe ich Büttenreden gern, die auch erotische Aspekte haben dürfen, wenn sie im Rahmen des Anstandes bleiben. Witz und Humor, wenn Geist oder auch richtiger Blödsinn drin steckt, ist das Salz in der Suppe des Faschings. „Die hat unter’m Büstenhalter wirklich stramme Brüste. Wenn man hinten aufmacht, fallen sie auf die Knie.“

Heute nachmittag war ich mit dem Fahrrad in Ramstein beim Faschingsumzug, den ich mir vom Fenster der Wohnung meines Bekannten aus angesehen habe. Fazit: Nichts Besonderes, nur abertausende von Menschen, wie sie in der Menge noch nie da waren. Die Fahrt nach Ramstein war ziemlich anstrengend, weil mir ein starker Gegenwind hart ins Gesicht blies. Hoffentlich muß es das Herz nicht büßen.

Liebes, ich habe immer noch große Sehnsucht nach Dir. In einem solch hohen Maße habe ich dies nicht erwartet. Dir ergeht es bestimmt nicht ebenso wie mir, weil Du ja viel erlebst und deswegen wenig Zeit und Gelegenheit hast, an mich zu denken. Freue Dich nur an allem Neuen und Schönen, und laß Dir Deine Unternehmungen nicht dadurch vermiesen, indem Du viel an mich denkst.

Wird unser Wiedersehen gefeiert? Wie? Mit Sekt und Küssen? Was schenkst Du mir, weil Du mir durch Deine lange Abwesenheit Leid zugefügt hast? Noch mehr Liebe? Nein, das ist nicht möglich, ich habe sie ja schon ganz und gar, wenn ich mich nicht täusche. Nein, ich täusche mich nicht!

Gute Nacht, meine Liebe, schlaf gut, damit Du morgen ausgeruht und frisch bist, um neues Erleben voll genießen zu können. 

Herzliche Grüße und gute Küsse auf Deinen süßen Mund von Deinem

Rudolf


Rodenbach, 5.3.1992

Meine liebe Inge,

Dein Brief vom 25. Febr. hat mich heute, nach neun Tagen, erreicht. Danke! Hast sehr lieb geschrieben. Ich kann daraus ersehen, daß Du mich trotz langer Abwesenheit von mir und trotz der großen Entfernung, die zwischen uns liegt, noch gern hast. Sollte Deine Liebe zu mir jedoch ein bißchen nachgelassen haben, so werde ich, wenn Du nur erst wieder bei mir bist, mit besonderem Eifer darauf bedacht sein, Dir Gutes, Liebes und Schönes zu erweisen, damit das Maß Deiner Liebe wieder auf den Stand gebracht wird, den sie vor Deiner Abreise gehabt hat!

Ich stelle mir natürlich vor, wie das so ist, da wo Du jetzt bist. Es muß doch sehr interessant sein, die Sitten und Gebräuche dieses asiatischen Landes kennen zu lernen. Das wäre auch was für mich gewesen.

Sind die Thais alle so gesittet ruhig wie die Sue? Fallen Peter und seine Mutter nicht auf wegen ihrer überlauten Sprachweise? Haben die Leute dort keine Angst vor ihnen, wenn sie nicht „forte“ und „fortissimo“ loslegen? Daß Du, liebes Ingelein, fast normal leise sprichst, ist Dir hoch anzurechnen – wo Du doch aus Berlin bist.

Gestern war ich Feldsalat stechen. Mein Plastikbeutel war bis oben hin voll. Habe ihn gestern Abend geputzt und ihn heute Isolde gegeben. Morgen kommt er auf den Tisch.

Wir haben immer noch herrliches Frühlingswetter. Heute habe ich im Garten gearbeitet, Sträucher geschnitten, Äste abgesägt und kleingemacht für Resie, und dann habe ich den Winterschmutz auf der der Karosse weggeschrubbt.

Eben komme ich vom donnerstagabendlichen Gottesdienst, den ich sonst immer schwänze. Heute (zu Beginn der Fastenzeit) gab’s das Aschenkreuz auf die Stirn, der Priester sprach dabei: „Gedenke, daß Du Staub bist und zum Staube zurückkehrst“. Welch ein wahres, bedeutungsvolles Wort. Ich denke oft daran, auch außerhalb der Fastenzeit.

Mein Liebes, fünf Wochen ohne Dich sind sehr lang. Ich bin glücklich, wenn du endlich wieder bei mir sein wirst.

Herzliche Grüße und Küsse
Dein Rudolf